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"Every dam' thing about Jane is remarkable to a pukka Janeite!" - Rudyard Kipling

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Jane Austens Bücherschrank
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Julia
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Geschrieben Montag, Oktober 10, 2005 @ 22:17:41  

Ich habe es gerade an anderer Stelle hier im Forum gelesen, und die Idee zu diesem Thread gehabt.
Welche Bücher hat Jane Austen gelesen?
Welche Bücher werden in den Briefen, Romanen und anderen Quellen erwähnt?
Vielleicht können wir hier ein bißchen sammeln.

Spontan fallen mir ein (wohl weil ich sie selbst auch gelesen habe und sie wurden auch in dem Seminar erwähnt was ich mal hatte über sie):
Scott "Waverly" und "Ivanhoe"
Fielding "Tom Jones"
deLaclos "Les Liasons Dangereuses"
Goethe "Die Leiden des jungen Werther" (schon damals in England sehr populär)
Mary Wollstonecraft "Vindication of the Rights of Women"

Und dann natürlich:
Maria Edgeworth "Belinda" und "The Absentee"
Ann Radcliffe "Mysteries of Udolpho", "Romance of the Forest", "The Italian" und "Castle Rackrent"
Fanny Burney "Evelina", "Cecilia", "Clarissa" und "The Wanderer"

Hat jemand schon mal was von den letzteren gelesen??

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julemaus09
Jane-Austen-begeistert

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Geschrieben Dienstag, Oktober 11, 2005 @ 09:17:53  

Hallo Julia, das ist eine schöne Idee für einen Thread!!

Ich habe bis jetzt davon noch nichts gelesen, aber vielleicht sollte ich mir das mal vornehmen
Vor allem Goethes Wether sollte ich unbedingt lesen, der ist im LK einfach an uns vorbei gezogen...

lg Julia

MierschB
Jane-Austen-verrückt

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Geschrieben Dienstag, Oktober 11, 2005 @ 12:06:54  

The proper study of mankind is Man

Hallo Julia,
Ok, find ich eine gute Idee... Kannst Du belegen, welche Bücher sie gelesen haben könnte oder hat? ... Über deLaclos haben wir uns im Zusammenhang mit „Lady Susan“ schon mal den Kopf zerbrochen... – Da spricht einiges dafür, dass sie den Briefroman gekannt haben könnte und sich inspirieren liess... Einen echten Beleg haben wir aber nicht gefunden... – Bei Mary Wollstonecraft bin ich dagegen skeptisch... Woher weißt Du, dass sie das Essay gekannt hat? Gibt es irgendeinen Beleg in ihren Briefen, denen der Familie oder sonst einen Hinweis darauf? (NB: Dass eine erzwungene oder aus pekuniären Gründen geschlossenen Ehe eine Form der Prostitution sei, hat übrigens schon 40 Jahre vor Wollstonecraft Henry Fielding in seinem Roman „Tom Jones“ festgestellt. ) Und einen literarischen Einfluss Wollstonecrafts auf Jane Austen würde ich verneinen: Mary Wollstonecraft war eine so untalentierte Romanautorin, dass sich einer Jane Austen beim Lesen ohne Zweifel der Magen umgedreht hätte...

Ihr Bruder Henry listete einige ihrer Vorbilder auf (Samuel Johnson, William Cowper, Samuel Richardson und „in geringerem Maße“ Henry Fielding):

... [My sister's] reading was very extensive in history and belles lettres; and her memory extremely tenacious. Her favorite moral writers were Johnson in prose, and Cowper in verse. It is difficult to say at what age she was not intimately acquainted with the merits and defects of the best essays and novels in the English language. Richardson's power of creating, and preserving the consistency of his characters, as particularly exemplified in Sir Charles Grandison, gratified the natural discrimination of her mind, whilst her taste secured her from the errors of his prolix style and tedious narrative. She did not rank any work of Fielding quite so high. Without the slightest affectation, she recoiled from every thing gross. Neither nature, wit, nor humour, could make her amends for so low a scale of morals. ...

Henry sagt, sie habe Fielding „wegen Grobheit“ nicht so hoch geachtet… Schwer zu entscheiden, ob der liebe Henry hier schon am Bild seiner Schwester für die Nachwelt gefeilt hat und ob er Jane Austen wirklich gerecht wird... – Ich sehe das nicht so wie Henry. Wenn man ihren 11. Brief in Betracht zieht... und ihren Witz und ihren Menschenkenntnis und -liebe und ihre Herzlichkeit... denke ich, ihre Heldinnen sind zu einem gehörigen Teil Kinder Sophia Westerns (aus „Tom Jones“)... Ihre möglicherweise spitzzüngige Seite und ihre vielleicht vorhandene ironische Sicht auf die Unzulänglichkeiten der Welt wurde ja vom Familienclan für das Bild der Nachwelt mehr oder weniger sorgfältig retuschiert... Also, gehe ich davon aus, dass Henry hier seine eigenen Vorlieben mit denen seiner Schwester verwechselt hat.

Ich denke moralisch stand sie fest bei Samuel Johnson und Alexander Pope („Essay on Man“):
All Nature is but Art, unknown to thee;
All Chance, Direction, which thou canst not see;
All Discord, Harmony, not understood;
All partial Evil, universal Good:
And, spite of pride, in erring Reson's spite,
One truth is clear, »Whatever is, is right.«

Know then thyself, presume not God to scan;
The proper study of mankind is Man.

... doch literarisch in der Tradition von Henry Fielding. Und ansonsten hat sie ähnlich wie Fielding ihre eigenen Fundamente gelegt: „Wenn Du etwas schaffen willst, was es noch nie gab, musst Du etwas tun, was noch niemand vor Dir getan hat!“

Die Idee, sich mit den Zeitgenossen und ihren literarischen Vorbildern zu befassen, finde ich gut. Ich biete an den „Rasselas“ von Samuel Johnson zu lesen... Ich hab auch Bosswells Buch über Samuel Johnson – das ist aber elend dicke... (Johnson war übrigens auch kein Freund Fieldings) Und ich kann – natürlich – Henry Fielding himself beisteuern...

Bruki

PS: Der heute noch – im Gegensatz zu Richardson, d’Ablay (Fanny Burney) oder Edgeworth – gelesene Henry Fielding hat übrigens seinen ersten „Roman“, „Shamela“, als bissige Persiflage auf den sentimentalen Schwulst-Roman „Pamela“ von Richardson verfasst und solchen Spaß daran gefunden, dass er gleich noch einen schrieb: „Joseph Andrews“... der ihm schon etwas aus dem Ruder lief und weit über eine Satire auf „Pamela“ hinausging – plötzlich waren aus seinen persiflierenden Abziehbildern echte Menschen geworden... Und mit „Tom Jones“ gelang ihm dann der Durchbruch und die Geburt eines neuen Genres: Des realistischen Romans – der bürgerlichen Kunstform überhaupt... Ich denke, Jane Austen führte diese von Defoe, Swift und Fielding begründete Linie weiter und bewohnt heute einen großen Turm in der Kathedrale der menschlichen Kultur... während ihre „Vorbilder“ irgendwo im Keller vermodern...

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Julia
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Geschrieben Dienstag, Oktober 11, 2005 @ 19:30:19  

hm, ich denke zu pope stand sie nicht so loyal, wie du vermutest. es gibt mehrere hinweise daruf, zum beispiel in "sense and sensebility", wenn marianne sich vergewissert, dass willoughby pope nicht mehr bewundert "as is proper".

deLaclos wird sowohl in der "memoir" von ihrem neffen, als auch in "family record" von deidre lefaye erwähnt, als ein beliebtes buch der austenschen bücherei.
mary wollstonecraft... da muss ich nachschauen. ich gebe zu, das war ein schnellschuss. unser professor in dem jane austen-seminar hat sie wiederholt zusammengebracht und ich glaube mich an ein zitat im reader zu erinnern, von irgendeinem familienmitglied. ich such mal danach!

ohje, richardson, johnson und cowper hab ich total vergessen, obwohl die ja nun wirklich offensichtlich sind!!

Quote:
Schwer zu entscheiden, ob der liebe Henry hier schon am Bild seiner Schwester für die Nachwelt gefeilt hat

ja, ich bin überzeugt, man muss allgemein sehr vorsichtig sein, was die "familienerinnerungen" betrifft. vielles stammt erst aus einer zeit, in der jane austen schon lange tot war, die personen sich nur noch an das erinnern, an das sie sich erinnern wollen und vorallem stark beeinflusst waren von der prüden und übermoralischen viktorianischen zeit.

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MierschB
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Geschrieben Dienstag, Oktober 11, 2005 @ 23:50:47  

Quote:
@Julia: ...hm, ich denke zu pope stand sie nicht so loyal, wie du vermutest. es gibt mehrere hinweise darauf, zum beispiel in "sense and sensebility", wenn marianne sich vergewissert, dass willoughby pope nicht mehr bewundert "as is proper". ...

O ja, herrliche Ironie Jane Austens, wenn Elinor Marianne ein wenig damit frozzelt, dass sie und Willoughby an einem einzigen Morgen alle relevanten Autoren (Cowper, Scott und Pope) abgehandelt hätten, und nach einem weiteren Tag sich wohl nix mehr zu sagen haben werden... Ich sehe keine abfällige Tendenz in der Passage, wenn Pope neben Cowper und Scott genannt wird...

Alexander Pope wird in „Sense and Sensibility“, in „Northanger Abbey“, in „Mansfield Park“ und in mindestens einem ihrer Briefe von Jane Austen mit Namen erwähnt: Im Brief vom 26. Oktober 1813 an Cassandra zitiert sie – sicher scherzhaft – die schon oben erwähnte Zeile aus Popes „Essay on Man“. Und es gibt einen mittelbaren Verweis auf einen Vers in Popes „Lockenraub“ in einem ihrer Juvenilia... (Am mock-heroischen Genre hat sie sich ja in ihren Juvenilia regelrecht abgearbeitet. )

Ich denke, Jane Austen war eine „echte Kennerin“ Popes und eine Anhängerin seiner weltanschaulichen Werke. Ich denke, sie war eine Anhängerin des „was immer ist, ist recht“... Ich denke, sie muss seine Werke gut gekannt haben, wenn sie sich mehrmals in ihren eigenen Werken direkt darauf bezogen hat...

Bruki

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Julia
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Geschrieben Mittwoch, Oktober 12, 2005 @ 08:30:27  

hm, o.k. ... vielleicht war das ja auch nur wunschdenken von mir. ich habs nicht so mit den moralisten.

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MierschB
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Geschrieben Mittwoch, Oktober 12, 2005 @ 14:20:39  

Ich hab heute Morgen vor dem Aufstehen ein bisschen im einer Essaysammlung geblättert und bin auch das hier gestoßen: Alexander Pope „Über Vernunft und Leidenschaft“ (On Reason and Passion), das er mit 24 Jahren für den „Spectator“ schrieb. Und da ich gerade darüber nachdenke, welche Einfluss Pope wohl auf Jane Austen ausgeübt haben könnte, fielen mir einige diese Frage möglicherweise erhellende Textstellen ins Auge:

Es war stets meine Meinung, dass der lohnendste Gegenstand des menschlichen Denkens die Natur des Menschen ist, und ich hielt es immer für die schönste Betätigung des menschlichen Geistes, sie auf liebenswürdige und unterhaltsame Weise in Augenschein zu nehmen. Andere Sparten der Wissenschaft mögen uns vielleicht klüger machen, doch diese macht uns zugleich auch noch besser.

Das könnte regelrecht über jedem Roman Jane Austens als Motto vermerkt sein. Und das Folgende trifft auf fast alle ihre Heldinnen und Helden zu und fasst geradezu programmatisch Jane Austens Art der Menschengestaltung zusammen:

... in jedem Menschen sind alle Leidenschaften vorhanden, wenngleich sie nicht in jedem in Erscheinung treten. Veranlagung, Erziehung, Landesbrauch, Vernunft und ähnliche Faktoren können sie zwar mildern und in die rechten Bahnen lenken, doch die Saat schlummert in jedermanns Brust und wird jederzeit aufgehen, wenn sie auch nur einigermaßen günstige Bedingungen dafür vorfindet.

... und hier haben wir den Konflikt aus „Sense and Sensibility“ auf den Punkt gebracht:

Die Vernunft [sollte] ständig gegen die Leidenschaften auf der Hut sein und sie nie eine Situation heraufbeschwören lassen, die für ihre Sicherheit womöglich verhängnisvoll werden könnte; freilich muss sie zugleich darüber wachen, dass sie die Kraft der Leidenschaften nicht so sehr beschneidet, dass sie ihr nicht mehr beachtenswert erscheinen und dass sie ihre Wachsamkeit ihnen gegenüber aufgibt.

Da der Verstand von sich aus zu schwerfällig und träge ist, um sich zu einer Handlung aufzuschwingen, bedarf es, wenn er in Bewegung geraten soll, der frischen Brise der Leidenschaften, die allein ihn vor Stillstand und Verfall bewahren können.

... dachte sich wohl Anne Elliot, bevor sie im „Weißen Hirsch“ in Bath Captain Wentworth mit ein paar gezielten Bemerkungen über die Leidenschaften der Frauen zum Setzen der Segel veranlasste...

Und das hier könnte gut ins Stammbuch Charlotte Lucas passen:

Junge Menschen, deren Leidenschaften nicht wenigstens hin und wieder aufflammen, berechtigen kaum zu der Hoffnung, dass sie es je zu etwas Nennenswertem bringen werden. Das Feuer der Jugend wird natürlich erkalten, und somit wird der Fehler – wenn es überhaupt einer ist! – mit jedem Tage kleiner werden, und sicherlich wird ein Mensch, der in der Jugend kein Feuer hatte, im Alter kaum Wärme haben können. Wir müssen daher sehr behutsam vorgehen, damit wir im Bestreben, unsere Leidenschaften zu mäßigen, diese nicht gänzlich auslöschen, denn sie sind das Licht der Seele, und ein Leben ohne Leidenschaft macht den Menschen ebenso blind, als ließe er sich von ihr fortreißen.

Und zum Schluss noch einen schönen Satz, dem Jane Austen sicher viel abgewinnen konnte. Blieb ihr doch diese besonders segensreiche Wirkung einer Schule erspart:

Die außerordentlich strenge Zucht, die in den meisten Schulen hierzulande geübt wird, hat eine verhängnisvolle Wirkung: sie zerstört die Spannkraft des Geistes und richtet sicherlich mehr große Begabungen zugrunde, als sie möglicherweise fördern kann.

... wie übrigens auch Alexander Pope, der wegen seiner schwächlichen Konstitution nie eine Schule besuchte, sich autodidaktisch eine umfassende Bildung im Elternhaus aneignete und zum „Hauptrepräsentanten der klassizistischen Dichtung im ‚Zeitalter der Vernunft’“ avancierte.

Bruki

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(Rudyard Kipling, The Janeites)